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Prä-Implantations-Screening – Wie hoch sind die Erfolgsraten wirklich?

| Eine kritische Auseinandersetzung mit PGS/PGT-A bei Kinderwunschbehandlungen

Symbolbild | Foto: Shutterstock

Eine Ursache für ein Implantationsversagen oder einen Abort könnte an nummerischen oder strukturellen Veränderung der embryonalen Chromosomen liegen. Beim Ersteren spricht man von Aneuploidien. Diese beinhalten Monosomien oder Trisomien einzelner Chromosomen. Letztere umfassen etwa Deletionen, Inversionen und Duplikationen bestimmter Chromosomenabschnitte (mehr dazu siehe Links).

Tatsächlich treten bei Frauen mit zunehmendem Alter vermehrt Aneuploidien in den Eizellen, respektive nach der Befruchtung auch im Embryo auf. Dies wird durch Fehler in der meiotischen Teilung der Eizelle während ihrer Reifung verursacht.

Das ursprüngliche Ziel eines Aneuplodiescreenings, auch Pre-Implantation Genetic Screening (PGS) oder seit kurzem Pre-Implantation Genetic Testing for Aneuploidies (PGT-A) genannt, ist es das Risiko der Übertragung eines aneuploiden Embryos zu verringern und damit die Aussichten auf eine intakte Schwangerschaft die zur Geburt eines gesunden Kindes führt zu erhöhen.

Durch unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Genetik bei Kinderwunsch möchten wir darauf hinweisen, dass dies eine enorme Vereinfachung darstellt und die Natur offenbar weitaus komplexer ist:

  • Neben den meiotischen Fehlern, die in einem kompletten aneuploidien Embryo resultieren, können mitotische Fehler bei den ersten Zellteilungen zu einem Mosaik führen. Dabei sind einige Zellen des Embryos normal (euploid) und andere eben nicht. Unsere Daten bzgl. Kinderwunschbehandlungen mit PGS/PGT-A zeigen, dass bei mehr als ein ¼ aller Embryonen ein euploid/aneuploides Mosaik vorliegt! Das Entwicklungspotential dieser Embryonen ist absolut nicht vorhersagbar. Das mögliche Spektrum reicht von Implantationsversagen, Fehlgeburt bis zur Geburt ohne oder mit Auffälligkeiten oder Beeinträchtigungen beim Neugeborenen.

Weitere Probleme bestehen in technischen Limitierungen der PGS/PGT-A bei Biopsie & Analyse:

  • so, dass ein Teil der Embryonen aufgrund ihrer Qualität per se nicht biopsierbar ist
  • aufgrund der Technik ein weiterer Teil der Embryonen nicht analysierbar ist – bedingt etwa durch eine unzureichende DNA Amplifikation (Whole Genome Amplification)
  • nur wenige Zellen des Trophektoderms analysiert werden können. Es gibt daher keine 100%ige Garantie, dass das Analyseergebnis auch tatsächlich dem der chromosomalen Konstitution des Embryos (Blastozyste) entspricht.

Bisher ist die PGS/PGT-A den Beweis schuldig geblieben, dass Sie zu höheren IVF Erfolgsraten verhelfen kann. Im Gegenteil, oft sind die Erfolgsraten sogar schlechter mit PGS/PGT-A.

Was die meisten randomisiert-kontrollierten Studien hinsichtlich PGS/PGT-A auch nicht berücksichtigen, sind die hohen Drop-out Raten bei der PGS/PGT-A. Sie vergleichen die Transfers mit bzw. ohne PGS/PGT-A. Das heißt es wird automatisch von der Annahme ausgegangen, dass euploide Embryonen nach PGS/PGT-A zur Verfügung stehen, sprich es werden nur sogenannte „Good Responder Patienten“ inkludiert, bei denen auf genügend Embryonen zur Verfügung stehen.

Nahezu keine Studie analysiert, wie viele Embryonen aufgrund ihrer Qualität nicht biopsierbar sind und wie oft Fehler bei der Amplifikation und Hybridisierung auftreten. Nur wenige Studien berichten über den Anteil der Embryonen mit einem chromosomalen Mosaik.

Wir haben daher eine retrospektive Analyse durgeführt, welche die PGS/PGT-A Daten in unserem IVF-Zentrum über einem Zeitraum von 3 Jahren beinhaltet. Die Studie wurden von uns erst kürzlich bei der 18th International Conference on Preimplantation Genetics in Genf vorgestellt. Die Ergebnisse auf einen Blick:

  • Weniger als 20% der Blastozysten stehen als euploide Embryonen zum Transfer zur Verfügung.
  • Im Durchschnitt blieben nach PGS 0,8 Blastozysten pro Stimulationszyklus übrig im Vergleich zu original durchschnittlich 4,5 Blastozysten pro Stimulationszyklus.
  • Die wenigsten Patienten kamen dabei mit nur einer Stimulation aus. Etwa ein 1/3 der Patientinnen benötigten zwei Stimulationszyklen. Ein weiteres 1/3 der Patientinnen benötigte 3-4 oder sogar mehr Zyklen.
Fazit

Diese kritische Analyse zeigt, wie wichtig es ist, betroffene Patientinnen und Patienten genauestens über die Risiken und Erfolgschancen einer PGT-A/PGS aufzuklären. Nicht nur, dass es für die PGS weiterhin keine klare Indikation gibt (nicht zu verwechseln mit der PGD/PID, wo die Indikationen eindeutig und der Erfolg erwiesen sind), sondern es nach der derzeitigen wissenschaftlichen Datenlage entgegen dem im Internet verbreiteten Hype auch keinerlei Evidenz gibt, dass PGS:

  • zu höheren Implantations- Schwangerschafts- und Lebendgeburt Raten führt
  • die Abortraten senkt
  • die Time-to-Pregnancy verkürzt

Vor einer Therapie mit PGS/PGT-A muss zudem über die Problematik des chromosomalen Mosaiks bei Embryonen aufgeklärt werden. Außerdem ist dabei wichtig aufzuzeigen, dass mitunter keine oder nur wenige Embryonen für einen Transfer nach PGS übrig bleiben und somit nur eine Stimulation höchstwahrscheinlich nicht ausreicht, sprich dies zu einer teils erheblichen Kostensteigerung bei der Behandlung führen kann.


Links:
» Prä-Implantations-Diagnostik – „Segen oder Fluch?“

(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)

» PGD, PGS, PID, PGT – Begriffe für genetische Diagnosemöglichkeiten bei Kinderwunschbehandlungen

(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)

» www.gentest-embryo.eu

(Webseite | https://www.gentest-embryo.eu)

» The pitfalls of PGT-A and scoring of mosaic embryos

(Publikation | https://atlasofscience.org)

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