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Aktueller Social Freezing Fall beim österreichischen Verfassungsgerichtshof

Symbolbild: Freepik

Symbolbild: Freepik

Am 13. Juni 2025 befasste sich der Verfassungsgerichtshof (VGH) mit dem bestehenden Verbot des sogenannten Social Freezing in Österreich. Hintergrund: Der §2b des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) verbietet es Frauen, die eigenen Eizellen aus Gründen der Familienplanung einfrieren (kryokonservieren) zu lassen. Das Gesetz erlaubt die Kryokonservierung nur aus medizinisch indizierten Gründen (z. B. Chemotherapie oder schwere Endometriose). Dagegen klagt aktuell eine Wienerin und beruft sich auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention – das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
(=> siehe dazu auch: 10 Jahre Eizellspende in Österreich, Rückblick auf die Gesetzesnovelle 2025).

Was ist Social Freezing?

Beim sogenannten Social Freezing geht es darum, unbefruchtete Eizellen, ohne konkreten medizinischen Grund einfrieren zu lassen. Diese gibt Frauen die Möglichkeit den Zeitpunkt für die Umsetzung des Kinderwunsches selbst zu bestimmen und ermöglicht größere Chancen auf eine Schwangerschaft auch jenseits der Mitte 30, ohne von der biologischen Uhr gestresst zu werden.
Während ab Mitte 30 die Fertilität (Qualität der Eizellen und Quantität des Eizellpools) deutlich abnimmt, bleibt bei den kryokonservierten Eizellen durch Vitrifikation (moderne Methode zum sicheren „Einfrieren“ von empfindlichen Zellen) die Fertilitätskompetenz zum Zeitpunkt des Einfrierens erhalten. Die kryokonservierten Zellen sind dann ohne Beeinträchtigung unbegrenzt lagerfähig. Werden Eizellen in jüngeren Jahren entnommen bestehen sehr gute Chancen mit diesen schwanger zu werden.
Je nach Anzahl der kryokonservierten Eizellen und dem Alter bei der Entnahme liegen die Erfolgschancen auf eine spätere Schwangerschaft mit zuvor tiefgefrorenen Eizellen zwischen 40-90%
Natürlich werden immer wieder kritische Aspekte gegen das Social Freezing ins Feld geführt. Etwa dass Social Freezing in die natürliche Ordnung eingreife und die biologische Uhr der Frau umgeht bzw. die Karriere vor den Kinderwunsch stelle. Auch werden auch potenzielle Schwangerschaftsrisiken, die mit dem Alter der Schwangeren steigen, ins Feld geführt.

Was spricht für eine Eizellvorsorge?

In der aktuellen Klage gegen das Social Freezing Verbot beruft sich die Klägerin auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Dies ist in Österreich verfassungsrechtlich abgesichert. Dadurch brauchen Eingriffe in das Grundrecht eine besonders fundierte Begründung. Die angeführten Argumente sind dabei nicht neu. Eine Initiative „Zukunft Kinder! – für eine selbstbestimmte Familienplanung“ kämpft seit Jahren für eine Aufhebung des Social Freezing Verbots.

Unsere Einschätzung

Unabhängig von der Frage, ob es gerechtfertigt ist, dass durch dieses Verbot von staatlicher Seite in die reproduktive Selbstbestimmung der Frau und damit auch in Privat- und Familienleben eingegriffen wird bedarf es einiger Überlegungen:
Erstens: Frauen bekommen heute später Kinder – das ist bereits gesellschaftliche Realität. Die Lücke zwischen Anzahl der gewünschten Kinder pro Frau und der tatsächlich geborenen Kinder, der sogenannte „Fertility Gap“, wird in Europa immer größer. Höhere Bildung oder längere Ausbildungszeiten führen zwangsläufig zu späterer Familienplanung und kollidiert mit dem schwindenden Fertilitätspotential der Frauen. Die Medizin könnte darauf reagieren und helfen.
Auch kann ein vorzeitiger Fertilitätsverlust plötzlich und ohne Begleitumstände eintreten. Eine sogenannte prämature Ovarialinsuffizienz (POI) oder vorzeitiges Ovarialversagen, also der teilweise oder vollständige Verlust der Fortpflanzungsfunktion der Eierstöcke vor dem 40. Lebensjahr betrifft Studien zufolge ca. 1–3,5% aller Frauen. In solch einer Situation können noch verbliebenen Eizellen „geborgen“ und aufbewahrt werden. Tatsächlich könnte der Anteil der von POI betroffenen Frauen neueren Schätzungen zufolge durchaus höher liegen.
Schließlich ist der Begriff „Social Freezing“ oft irreführend, denn die Abgrenzungen zu einem „Medical Freezing“ -also einer Eizellvorsorge aufgrund einer medizinischen Indikation ist mitunter schwierig.

Ein hypothetisches Beispiel

Eine junge Frau ist Trägerin einer balancierten Translokation (genetische Variante im Erbgut) und hat somit ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt. Mittels Präimplantationsdiagnostik (PID) kann sie dieses Risiko senken. Da kein aktueller Kinderwunsch besteht, aber mit fortgeschrittenem Alter mehr Embryonen für eine erfolgreiche PID benötigt werden, beschließt sie eine Eizellvorsorge durchzuführen. Ist dies nun Social oder Medical Freezing?

Selbstbestimmte Familienplanung durch Eizellvorsorge

Eine Eizellvorsorge bietet eine wissenschaftlich fundierte Möglichkeit, die Familienplanung selbstbestimmt zu gestalten und Druck aus der Familienplanung herauszunehmen. Die Erfolgsaussichten bei der Familienplanung hängen sehr stark vom Alter bei der Eizellentnahme ab, weshalb eine frühzeitige Entscheidung die Kinderwunschchancen deutlich verbessert (=> siehe Diagramm). Mit modernsten Einfrierverfahren wie der aspetischen Vitirifkation und professioneller medizinischer Betreuung ist es möglich die Fruchtbarkeit auf längere Zeit zu erhalten.
Wenig spricht für eine Beibehaltung des Social Freezing Verbotes.
Zur Klage gegen das Social Freezing Verbot wird das Urteil des Verfassungsgerichtshofes erst im Herbst erwartet. Zu wünschen wäre eine Entscheidung im Sinne eines modernen Fortpflanzungsgesetzes, dass die Möglichkeit einer selbstbestimmten Mutterschaft ermöglicht.