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Ohne Limit?

| Wenn Grenzen überschritten und etablierte Methoden der Fortpflanzungsmedizin missbraucht werden

Symbolbild | Foto: Shutterstock

Es gibt verschiedene medizinische Ursachen, die definieren, wann eine Kinderwunschbehandlung mit Eizellspende für infertile Paare in Frage kommt. Dazu gehören etwa Vorerkrankungen, wie z.B. eine frühzeitige oder prämature Ovarialinsuffizienz (POI). Diese können genetisch bedingt sein oder auch durch Radio- oder Chemotherapien hervorgerufen werden.

Gerade in Anbetracht der steigenden Überlebensraten bei einer Vielzahl maligner Erkrankungen, steht bei betroffenen Frauen immer öfter der Kinderwunsch nach erfolgreicher Behandlung im Vordergrund.

Auch bei fortgeschrittenem Alter, etwa in dem Mid-vierzigern, kann eine Eizellspende bei aufkommenden oder noch bestehenden Kinderwunsch sinnvoll sein. Die Gründe für den sogenannten „späten Kinderwunsch“ mögen ebenso vielfältig sein. Vielleicht gibt es bereits vorangegangene IVF-Therapien, die nicht zur ersehnten Schwangerschaft geführt haben. Vielleicht haben sich die Lebensumstände geändert, etwa ein neuer Partner, ein anderes berufliches Umfeld, etc.

Wer würde einer grundsätzlich gesunden Frau und ihrem Partner, nach einer umfassenden Beratung und Aufklärung, diesen Schritt verweigern wollen?

Breitere Akzeptanz in der Gesellschaft

Diese Ansicht findet mittlerweile immer breitere Akzeptanz in der Gesellschaft und zwar über die Staatsgrenzen hinweg. Infolge dessen haben zahlreiche Staaten in den letzten Jahren ihre Gesetzgebung diesbezüglich überarbeitet, wie z.B. Österreich im Jahr 2015. Und in jenen Staaten, wo Kinderwunschbehandlungen mit gespendeten Eizellen nicht erlaubt sind, mehren sich die Stimmen, die eine Legalisierung fordern (→ hierzu ein Beispiel).

Eine Voraussetzung sollte jedoch immer sein, dass neben der Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und Wahrung ethischer sowie medizinischer Grundsätze immer das Patientenwohl und die Gesundheit aller Beteiligten, vor allem jene der Mutter und der durch die Eizellspende gezeugten Kinder, im Mittelpunkt steht. Dies sind unumstößliche Grundlagen in der klinischen Praxis unserer IVF-Zentren.

Fall von Gewissenlosigkeit und Missbrauch

Ein aus unserer Sicht erschreckendes Gegenbeispiel ist die Meldung der indischen Nachrichtenagentur IANS, dass eine 73-jährige Inderin und ihr 80-jähriger Mann kürzlich Eltern von Zwillingen wurden. Die Frau ist damit die älteste, bekannte Mutter weltweit, die mit Hilfe einer IVF-Behandlung Kinder geboren hat. Während in internationalen Medien von einem „medizinischen Wunder“ die Rede ist und es für den behandelnden Arzt eine „Errungenschaft der modernen Medizin“ bedeutet, kann man in diesem Fall eher von Gewissenlosigkeit und Missbrauch sprechen.

Gewissenlos insofern, weil hier sowohl die Patientin als auch die heranwachsenden Kinder einem enormen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wurden. Nicht umsonst gibt es in Europa ein gesetzlich vorgeschriebenes Alterslimit der Empfängerin für eine Eizellspende. Man kann sicher unterschiedlicher Meinung sein, wo dieses Limit liegt. Ob dies nun mit 45 Jahren oder vor dem vollendeten 50. Lebensjahr erreicht sein sollte. Konsens aber muss dahingehend bestehen, dass es eine Altersgrenze geben sollte, die auch vernünftig angesetzt ist, d.h. maximal am natürlichen Ende der reproduktiven Lebensspanne und definitiv nicht in der Seneszenz.

Als gewissenloser Akt ist dieser Fall sowohl im Hinblick auf die Tätigkeit des behandelnden Arztes als auch auf die zukünftige Situation der geborenen Kinder zu verstehen.

2017 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau in Indien 70,4 Jahre. Damit lag das Alter der genannten Patientin bei Therapiebeginn bereits 3 Jahre über der durchschnittlichen Lebenserwartung. Der Vater der Kinder erlitt übrigens laut BBC-Bericht zwei Tage nach Geburt seiner Kinder einen Schlaganfall.

Wie viele Jahre mögen diesen Kindern mit ihren Eltern vergönnt sein? Wer trägt die Verantwortung für sie und ihre Zukunft im Falle des voraussichtlichen Ablebens der Eltern vor dem Erreichen der Volljährigkeit? Ist es verantwortlich, Kinder somit vorzeitig mit Pflegebedürftigkeit, Trauer und Tod ihrer Eltern zu konfrontieren? Provokant gefragt: Müsste nach dem Ableben der Eltern das Sorgerecht der Eizellspenderin, quasi als nächste Verwandte, übertragen werden?

Reproduktionsmedizin leidet unter „Rekordjagd“

Auch die Reproduktionsmedizin ist ein Verlierer. Hier wird eine sichere und professionelle Methode zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung missbraucht. Was immer die Beweggründe des behandelnden Arztes waren, es war sicher nicht das Patientenwohl als er zwei Embryonen einer Frau im Rentenalter transplantierte, die bereits Groß- oder Urgroßmutter hätte sein können.

Bereits 2016 machte eine 72-jährige Indern Schlagzeilen, als sie zum ersten Mal durch eine Eizellspende zur ältesten Mutter der Welt wurde.

Die Presse greift diese Fälle begierig auf. Schlagzeilen wie „Vierlinge! 65-Jährige schwanger – Sie hat schon 13 Kinder!“ werden wir leider mit ziemlicher Sicherheit noch öfter lesen müssen.

Tatsächlich gleicht das Ganze einem „Russischen Roulette“ und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein weiterer dieser fragwürdigen Rekorde erzielt wird. Ebenso ist es auch nur eine Frage der Zeit bis solche Behandlungen, teilweise mit mehreren Embryonen, eben nicht komplikationslos für Mutter und Kind sind, sondern im schlimmsten Fall mit Kindstod oder dem Tod der Mutter enden werden.

Zu hoffen bleibt, dass die nationalen Gesetzgebungen in diesen Ländern bereits vorab geändert und damit Grenzen gesetzt werden. Jedenfalls nicht erst dann, wenn wieder viele nach Regulierungen rufen, nachdem der Worst Case eingetreten ist.


Links:
» CRISPR/Cas9 – Methode zur Veränderungen von Genen birgt ungeahnte Risiken

(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)

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