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„Für mich sind Reproduktionsmediziner moderne Helden“

Symbolbild | Foto: Shutterstock

Philipp lebt im Allgäu, ist Schüler und macht gerade Abitur. In seiner Abschlussarbeit hat er sich mit dem Thema Reproduktionsmedizin beschäftigt. Zu Recherchezwecken und Expertenbefragungen nahm Philipp Kontakt mit uns in den IVF Zentren Prof. Zech auf.
Im Zuge dessen haben wir auch sein Interesse geweckt, hier im Kinderwunsch BLOG ein wenig über sich und seine Arbeit zu erzählen. Was uns natürlich sehr freut, denn Philipp hat eine ganz besondere Verbindung zum Thema. Welche das ist, verrät er uns im nachfolgenden Interview:

Der Titel Ihrer Abschlussarbeit lautet „Das Geschäft mit dem Leben – Reproduktionsmediziner als moderne Helden“. Was hat Sie dazu bewegt, dieses Thema auszuwählen?
Philipp: „Zu Beginn hatte ich vor, eine Arbeit zu den Themen Reproduktionsmedizin, pränatale Diagnostik und das Klonen von Lebewesen zu verfassen, da ich mir für ethische Fragen in den Bereichen der Medizin interessiere. Als klar wurde, dass der Themenumfang zu groß für die geplante Facharbeit werden wird, musste ich mich für eines der Themen entscheiden. Meine Entscheidung fiel dann von Anfang an auf das Thema Reproduktionsmedizin, da ich dieses persönlich am kontroversesten diskutiert und äußerst interessant finde. Außerdem wurde ich damals selbst durch eine In-vitro-Fertilisation gezeugt, weshalb ich einen persönlichen Bezug zu diesem Thema habe.“

Was sind die zentralen Punkte Ihrer Arbeit?
Philipp: „Zentrale Punkte meiner Facharbeit sind zum einen die historisch maßgeblich an den Methoden der Reproduktionsmedizin beteiligten Personen. Hier gehe ich auf deren Biografie und ihren Beitrag zur Entwicklung und Forschung ein. Darüber hinaus werden in diesem Abschnitt wichtige Meilensteine in der Entwicklung der Reproduktionsmedizin betrachtet. Der wichtigste Punkt meiner Arbeit ist die darauffolgende Fragestellung, ob man Reproduktionsmediziner in unserer Gesellschaft heute als moderne Helden bezeichnen kann. Um diese Frage zu beantworten, definiere ich zu Beginn dieses Abschnittes sowohl einen traditionellen als auch einen modernen Heldenbegriff und erarbeite bedeutende Unterschiede zwischen diesen zwei sehr verschiedenen Heldenbegriffen. Es folgt eine Auseinandersetzung mit der rechtlichen Lage und der heftigen Kritik der Kirche, eine Betrachtung verschiedener Diskussionen in Fachkreisen, das Interview mit Prof. Herbert Zech und eine Darstellung verschiedener Missbrauchsfälle in Anwendung und Forschung der Reproduktionsmedizin. Zentrale Themen meiner Arbeit sind also historische Hintergründe, bzw. beteiligte Personen an der Forschung und die Fragestellung, ob man Reproduktionsmediziner als moderne Helden betrachten kann.“

Wie wird aus Ihrer Sicht das Thema IVF in der Gesellschaft wahrgenommen?
Philipp: „Meiner Meinung nach wird das Thema Reproduktionsmedizin, bzw. In-Vitro-Fertilisation in der Gesellschaft zu wenig thematisiert. Ich glaube, negative, bzw. ablehnende Ansichten mancher Personen sind zu einem beachtlichen Teil auf Unwissenheit zurückzuführen, welche einer mangelnden Aufklärung zugrunde liegen. Befasst man sich nicht explizit, z.B. im Rahmen einer Facharbeit, mit dem Thema, so hört man in Politik und Medien nicht viel darüber.“

Wie sehen Sie die Entwicklung der IVF seit den Anfängen in den 70er-Jahren?
Philipp: „Die Forschung und Entwicklung zu reproduktiven Maßnahmen begann ja vor mittlerweile fast einem ganzen Jahrhundert. Wie viele kritisch zu betrachtende neue Bereiche der Medizin wurde auch dieser in seinen ersten Anfängen vor allem von Seiten der Kirche stark kritisiert. Nach mehr Aufklärung und ersten rechtlichen Bestimmungen ist die Entwicklung meiner Meinung nach seit den Anfängen der 70er-Jahre in angemessenem Tempo und mit ethisch meist verantwortbaren Handlungen vorangeschritten. Die erste künstliche Befruchtung In-Vitro mit einer gelungenen Übertragung der Embryonen in den Uterus der Frau, wenn diese sich im Acht-Zell-Stadium befinden, fand zum Ende der 70er-Jahre statt. Nachdem 1976 die erste klinische Schwangerschaft nach IVF gelungen ist, haben sich Forschung und Entwicklung in rasantem Tempo entwickelt, was wie ich finde, als positiv anzusehen ist. Auch Politik und Legislative haben angemessen auf die rasante Entwicklung reagiert, weshalb die IVF nun seit Ende der 1970er-Jahre als etabliertes Therapieverfahren angewendet werden kann.“

Sie sind ja selbst nach einer Kinderwunschbehandlung Ihrer Eltern geboren worden. Können Sie uns Ihre Erfahrungen damit schildern, z.B. in Verbindung mit Ihrem Umfeld (Freunde, Schule etc.)?
Philipp: „Vor dem Bearbeiten meiner Facharbeit habe ich mit Freunden und meinem schulischen Umfeld kaum über das Thema künstliche Befruchtung gesprochen, bzw. dass ich selbst nach einer solchen geboren wurde. Bei diversen Gesprächen mit Freunden in meinem Alter hatte ich meist das Gefühl, auf Unverständnis zu treffen. Für viele meiner Freunde handelt es sich bei IVF um eine abstrakte, im Labor praktizierte Maßnahme. Einige Bekannte, bzw. Schulkameraden fragten sogar danach, wie es sei, nicht das leibliche Kind meiner Eltern zu sein, sondern im Labor gezeugt geworden zu sein. Dies lässt außerdem darauf schließen, dass in Schulen und unserer Gesellschaft mangelnde Aufklärung hinsichtlich künstlicher Befruchtung stattfindet. Auch Lehrer reagierten äußerst erstaunt, als sie mitbekamen, dass ich nach einer IVF geboren wurde. Für mich persönlich ist IVF ein medizinisches Verfahren, wie jedes andere. Über diverse Reaktionen war ich zum Teil sehr erstaunt.“

Gibt es ein Erlebnis das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Philipp: „Als ich einem Freund von dem Abschnitt Persönlicher Bezug zum Thema erzählte, meinte dieser, ich solle diesen vor allem aus Rücksicht auf meinen Zwillingsbruder nicht mit in die Arbeit einbringen. Mein Bekannter meinte außerdem, dass ich es mir gut überlegen solle, dieses Thema öffentlich anzusprechen. Diese Aussage stieß bei mir persönlich auf Unverständnis, da ich, wie bereits erwähnt, eine sehr positive Haltung gegenüber IVF habe.“

Die Meinungen zur Reproduktionsmedizin sind teilweise sehr kritisch, was Sie ja auch in Ihrer Abschlussarbeit aufgegriffen haben. Wie lautet Ihr Fazit?
Philipp: „Ich bin persönlich der Meinung, dass es wichtig ist, viel Aufklärung zu diesem Thema zu betreiben. Wobei hier sowohl negative und kritisch anzusehende Seiten, als auch positive Aspekte thematisiert werden müssen. Ich finde, dass die positiven Aspekte bei weitem überwiegen. Mein Fazit ist, dass letztlich jeder für sich selbst entscheiden sollte, ob er auf Methoden der Reproduktionsmedizin zurückgreifen möchte. Hierfür sollten allerdings ausreichend recherchiert werden und eine Betrachtung positiver, wie auch kritischer Aspekte vorgenommen werden.“

Oftmals ist die mediale Berichterstattung und Aufbereitung der Kritikpunkte sehr reißerisch. Wie beurteilen Sie diese Vorgehensweise?
Philipp: „Wie in vielen anderen Bereichen, über die in den Medien berichtet wird, sind reißerische Überschriften und Artikel meiner Meinung nach vorrangig dazu dar, um Verkaufs- und Klickzahlen zu steigern. Natürlich ist dies, je nach Medium unterschiedlich, allgemein sollte dies aber nicht außer Acht gelassen werden. Diese Vorgehensweise betrachte ich äußerst kritisch, da sie ungerechtfertigte, negative Ansichten bei schlecht informierten Personen hervorrufen kann. Meiner Meinung nach sollte hinter dem Lesen von reißerischen Überschriften und Artikeln stets weitere Recherche stehen, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können.“

Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie entsprechende Headlines und die dazugehörigen Artikel lesen?
Philipp: „Wie bereits angesprochen halte ich die reißerische Berichterstattung mit den dazugehörigen Headlines als Mittel der Berichterstattung, um höhere Klickzahlen zu generieren. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts kann ich entsprechende Überschriften differenziert betrachten und versuche, mir meine Meinung stets erst nach weiterer Recherche zu bilden.“

Abschließend würde ich gerne nochmals auf den Inhalt Ihrer Abschlussarbeit zurückkommen und die zentrale Frage daraus an Sie richten: Sind Reproduktionsmediziner für Sie moderne Helden?
Philipp: „Für mich persönlich stellen Reproduktionsmediziner heutzutage moderne Helden dar. Natürlich kann es sich dabei nicht um einen Helden im traditionellen Sinne handeln. Je nach Definition eines modernen, subjektiveren Heldenbegriffs kann man Reproduktionsmediziner allerdings durchaus als Helden für Paare bezeichnen, die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können.“

Herzlichen Dank für Ihre Offenheit und viel Erfolg beim Abitur.


Links:
» „Künstliche Befruchtung“: Heute noch ein Tabu-Thema?

(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)

» „And here she is… THE LOVELY LOUISE“

(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)

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